Wir brauchen Macher“

Anne Otten und Timo Hall haben als Sportkoordinatoren des Hamburger Sportbundes ein erfolgreiches Fußballprojekt bei Teutonia 10 entwickelt

Angenehm unverschnörkelt ist die Sprache, in der „Herzliches Lokstedt e.V“ mit Datum 3. November 2017 unter dem Programmpunkt „Sport“ auf der Website für eines seiner Angebote wirbt: „Fußball bei SC Teutonia 10 mit 12 Flüchtlingen, 3 Migranten und 5 Einheimischen“. Dazu ein Bild – Fußballspieler, Kunstrasen, Flutlicht. Ein Ball fliegt. Beleuchtete Wohnzimmer im Hintergrund. „Herzliches Lokstedt“ unterstützt und begleitet Geflüchtete im Stadtteil und drüber hinaus.

Viele Worte sind auch gar nicht nötig, um das erfolgreiche Kooperations-Projekt von Teutonia 10 und „Herzliches Lokstedt“ zu beschreiben. Anne Otten und Timo Hall haben es aufgelegt. Die beiden Sportkoordinatoren der Bezirke Altona (Otten) und Eimsbüttel (Hall) sind ein gutes Team. Hall ist seit März 2017 dabei, Otten schon zwei Jahre länger. Wenn sie über ihr Projekt mit Geflüchteten und anderen sprechen, fallen sie sich nicht ins Wort, sondern hören zu, ergänzen sich.

Anne Otten, 29 Jahre alt, Masterstudentin der Sportwissenschaften an der Universität Hamburg, sagt: „Das Projekt ist in der Entstehung und dem Verlauf sicher ein Optimalfall. Timo ist der Projektleiter. Er hat alles angeschoben und ist immer dabei. Ich habe mich im Hintergrund um die Vernetzung und den Zulauf gekümmert. Ich bin in verschiedene Unterkünfte gegangen und habe für das Angebot geworben, Flyer verteilt. Es ist wichtig, dort die richtige Person zu finden, die auch weitergibt, dass es etwas Interessantes gibt. Anfangs war die Beteiligung nicht so gut, inzwischen läuft es richtig gut und ist ein Paradebeispiel für langen Atem. Der Frust ist groß bei Vereinen, wenn solche Projekte nicht laufen. Manchmal kann ich gar nicht sagen, warum das eine funktioniert, das andere nicht. Aber alles steht und fällt mit einem, der es durchführt. Der muss sehr motiviert sein, Verständnis aufbringen, geduldig sein, auch mal Undankbarkeit ertragen. Timo ist für mich eine verlässliche Größe, wo ich sportbegeisterte Leute aus den Unterkünften hinschicken kann. Ich muss sagen, er ist in meiner Zeit als Sportkoordinatorin der erste und einzige, der etwas so systematisch aufgezogen hat.“

Es kann Gutes dabei entstehen, wenn über die Bezirksgrenzen hinweg kooperiert wird. „Wir denken nicht in Bezirken und Bezirksgrenzen“, sagt Anne Otten, die in Barmbek wohnt, während Timo Hall in Eimsbüttel zuhause ist.

Etwa 15 junge Männer und erfreulicherweise auch eine Frau zwischen 16 und 32 Jahren spielen seit dem Sommer immer freitags von 18.15 bis 20 Uhr auf dem Kunstrasenplatz des SC Teutonia von 1910. Sie sind Geflüchtete, Migranten, Einheimische. Sie kommen aus Syrien, Eritrea, Iran. Die Platzsprache ist Deutsch. Der Trainer ist Timo Hall.

Wie entstand diese Idee?

Timo Hall, 36 Jahre alt, BWL-Hintergrund, sagt: „Ich hatte Kontakt in die Fußballsparte des Vereins, weil ich in der Altliga gespielt habe. Ich spiele selbst super gerne Fußball. Ich wollte mich ehrenamtlich für Geflüchtete engagieren in einem Projekt, das mir selbst auch Spaß macht. Da lag Fußball nahe. Ich kenne mich aus, der Bedarf ist groß. Bei Teutonia gibt es um Tim Heicks und Cüneyt Yildirim ein junges, neues Vorstandsteam. Sie tragen das Projekt komplett mit. Sie haben den Ansatz, den Verein neu aufzustellen, ihn im sich verändernden Stadtteil wieder stärker zu verankern. Schon immer war der Verein hochintegrativ. Es ist ein offenes Angebot für alle, in jedem Alter, auch für Frauen. Ich habe mich gefragt, wie kriege ich mein Angebot gefüllt und mit Anne darüber gesprochen. Wir gehören ja zum Bezirk Altona – also quasi zu ihr. Zum Zeitpunkt des Projektstarts waren wir noch keine Kollegen. Ich habe mir ihre Nummer also von der HSB-Seite gesucht. Anne hat sich auf ihren Wegen gekümmert. Beim ersten Training im April war einer da. Dann kamen zwei, drei Leute. Dann ging es über die nächsten Wochen sukzessive nach vorn. Jetzt haben wir eine stabile Gruppengröße. Die Ausrüstung kommt von der Altligamannschaft. Von den Fähigkeiten ist alles dabei. Einige spielen zum ersten Mal, andere haben gerade in Syrien schon hoch gespielt.“

Wichtig ist den beiden die gute Kooperation mit „Herzliches Lokstedt“. In sieben Sprachen wird das Angebot über einen Flyer beworben, der die wichtigsten Informationen verständlich aufbereitet. Deutsch, Arabisch, Farsi, Türkisch, Englisch, Französisch und Tigrinisch, das ist die Sprache Eritreas. Viele Kontakte sind zudem durch Mundpropaganda in den Unterkünften entstanden. Der Rest erklärt sich von allein – wenn man auf dem Platz steht.

Timo Hall sagt: „Wir haben jetzt eine Whatsapp-Gruppe und ich informiere vor jedem Training, dass wieder Training ist. Wir begrüßen uns dann auf dem Platz, wer neu ist, stellt sich kurz vor. Wenn jemand nicht kommt, frage ich nach. Ich bekomme den Bedarf dieser Gruppe einszueins gespiegelt – auch in Dingen außerhalb des Sports. Arztbesuche, Behördentermine, Arbeitsplatzsuche: ich versuche, überall zu helfen, wo es geht. Ich habe nicht immer eine Antwort, aber ich kümmere mich drum. Es ist sehr viel Leben in der Gruppe. Für den Start ist es gut, dass sie keine Beiträge zahlen, nicht am Spielbetrieb teilnehmen. Der Verein sieht jetzt schon den Mehrwert, denn aus der Gruppe kommt inzwischen ein Jugendtrainer und ein Jugendbetreuer.“

Anne Otten sagt: „Viele gute Angebote von Vereinen werden wieder eingestampft. Die Engagierten sagen sich, wenn nur zwei, drei Leute kommen, lohnt es sich nicht. Timos Angebot bei Teutonia 10 ist auch deshalb ein Leuchtturm, weil es vereinsintern unterstützt und beworben wird. Man muss aber auch sagen, dass sich nur die wenigsten so engagieren wie Timo.“

Hamburg, 5.2.2018

Text: HSB/Frank Heike
Foto: HSB/ Frank Molter
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